Unternehmer-
und Freiberufler-Brief des Monats Dezember 2009
1.
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Steuerbefreiung für
Untervermittler
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2.
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Treuepflicht eines
nachschussunwilligen Gesellschafters
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3.
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USt-Pflicht für
Zahlungen aus öffentlichen Kassen
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4.
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Zugesagte
Stiftungsleistungen keine Schenkungsversprechen
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5.
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Händlergarantie
ist umsatzsteuerpflichtig
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6.
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Ermäßigter
Steuersatz auch bei Abfindungen in 2 Raten möglich
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7.
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BMF bezieht
Stellung zum Mehrwertsteuerpaket
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8.
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Überlange
sozialgerichtl. Verfahren: Verstoß gegen Rechtsschutz
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9.
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Verständigungsvereinbarungen
über Besteuerung von Abfindungen
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10.
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Zahlungen an
Vorstandsmitglieder von gemeinnützigen Vereinen
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11.
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Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
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12.
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Fristlose Kündigung
bei Missbrauch von Zugriffsrechten
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13.
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Altersgrenze von 65
Jahren für Beamte ist wirksam
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14.
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Rückzahlung von
Ausbildungskosten
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15.
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Haltung von
Großtieren in einem Wohngebiet nicht unbedingt zulässig
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16.
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Gleicher
Arbeitsvertrag trotz ständiger Überstunden
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17.
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Erbschaftsteuer:
Zusammenrechnung früherer Erwerbe
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18.
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Zuckerrübenlieferrecht:
Schätzung der Nutzungsdauer
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19.
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Dürfen
Dauerschuldzinsen für Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?
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20.
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Nachträgliche
Änderung der Gewinnverteilung
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21.
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Eigentumsübergang
bei aufschiebender Bedingung
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22.
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Unwahre,
ehrverletzende Kündigungsgründe: Auflösung und Abfindung
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23.
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Gebühr für
verbindliche Auskunft verfassungsgemäß?
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1. Steuerbefreiung für
Untervermittler
Einführung Die
Tätigkeit des Versicherungsvertreters ist steuerbefreit. Dies klingt
einfach, doch die Gerichte werden seit Jahren bemüht, um zu klären,
welche Leistungen im Einzelnen hierunter zu verstehen sind.
Fall Ein
selbstständiger Versicherungsmakler schaltete in seine Vermittlungen
einen Subunternehmer, den späteren Kläger, ein. Vertraglich wurde
dem Kläger zugesichert, dass er bei Benennung eines Interessenten
und Abschluss eines Vertrages eine Zuführungsprovision in Höhe von
80 bis 85 % der Provision des Versicherungsmaklers erhalten sollte.
Sowohl das Finanzamt als auch das FG Hamburg versagten dem Kläger
die Steuerfreiheit, da seine Tätigkeit nicht der eines
Versicherungsvertreters entspreche.
Neues Urteil Der
BFH sieht eine steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit als
gegeben an, wenn die Tätigkeit darin besteht, Kunden zu suchen und
diese mit der Versicherungsgesellschaft zusammenzubringen. Die
Vermittlung muss sich auf ein einzelnes Geschäft beziehen. Sie kann
in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer
Verhandlungstätigkeit bestehen. Es ist nicht erforderlich, dass der
Vermittler gegenüber der Versicherungsgesellschaft tätig wird, so
dass eine mittelbare Einbindung der Steuerbefreiung nicht
entgegensteht. Entsprechend gewährte der BFH dem Kläger die
Steuerbefreiung.
Konsequenz Das
Urteil dürfte in der Versicherungsbranche mit Erleichterung
aufgenommen werden. Wurde doch bisher angenommen, dass die
Steuerfreiheit zu versagen sei, wenn der Vermittler nicht
Auftragnehmer einer der Vertragsparteien, Versicherungsgesellschaft
oder -nehmer, war. Damit erbringen die als Subunternehmer
eingeschalteten Vermittler steuerfreie Leistungen, wenn diese, wie im
Fall, typische Versicherungsleistungen erbringen. Diese sind von den
nicht befreiten Tätigkeiten abzugrenzen, die keinen spezifischen
Bezug zu den einzelnen Vermittlungen aufweisen, z. B. reine
"Backoffice"-Tätigkeiten.
2. Treuepflicht eines
nachschussunwilligen Gesellschafters
Kernaussage Grundsätzlich
kann kein Gesellschafter, der seinen nach dem Gesellschaftsvertrag
geschuldeten Beitrag geleistet hat, gegen seinen Willen zu weiteren
finanziellen Leistungen zum Erreichen des Gesellschaftszwecks
gezwungen werden. Die Treuepflicht kann es einem zahlungsunwilligen
Gesellschafter aber gebieten, in diesem Fall aus der Gesellschaft
auszuscheiden.
Sachverhalt Die
Klägerin, eine GmbH & Co. KG, war in finanzielle Schwierigkeiten
geraten, aber laut einem Gutachten dennoch sanierungsfähig. Für die
mit den Gläubigerbanken zu schließende Sanierungsvereinbarung
mussten die Gesellschafter der Klägerin neues Kapital aufbringen.
Die Gesellschafterversammlung beschloss dazu mit der gemäß der
Satzung erforderlichen 3/4-Mehrheit eine Kapitalherabsetzung um 99,9
% und gleichzeitig eine Eigenkapitalerhöhung um 4,6 Mio. EUR. Eine
ebenfalls beschlossene Änderung der Satzung hatte zur Folge, dass
diejenigen Gesellschafter, die sich nicht bis zum 31.12. des
betreffenden Jahres verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten,
zu diesem Stichtag aus der Gesellschaft ohne weitere Erklärung
derselben ausschieden. Keiner der 4 Beklagten hatte sich bis zum
Stichtag an der Kapitalerhöhung beteiligt, sie hatten gegen die
Änderung der Satzung gestimmt. Die Klägerin meint, sie seien als
Gesellschafter ausgeschieden und verlangt Zahlung des auf den
Stichtag 31.12. ermittelten negativen Auseinandersetzungsguthabens,
d. h. die Begleichung des auf sie jeweils entfallenden
Verlustanteils. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos.
Entscheidung Der
BGH hob die Entscheidung des KG auf und verwies die Sache dorthin
zurück. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung entfalteten
Wirkung mit der Folge des Ausscheidens der Beklagten aus der
klagenden GmbH & Co. KG. Sie waren in der vorliegenden
Sanierungssituation aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht zur
Zustimmung zu der Regelung über das Ausscheiden als Gesellschafter
im Falle der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet. Es
ist den übrigen Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung
ergreifen wollen und deshalb bereit sind, der Gesellschaft
finanzielle Mittel zuzuführen, nicht zuzumuten, den künftigen
Sanierungserfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu
nicht einmal in Gestalt des sofort zu leistenden Verlustanteils
beitragen wollen. Ebenso wenig können die Gesellschafter, die nichts
mehr investieren wollen, die sanierungsbereiten Mitgesellschafter auf
den Weg der Liquidation mit den damit verbundenen
Zerschlagungsverlusten verweisen.
3. USt-Pflicht für
Zahlungen aus öffentlichen Kassen
Einführung Erhalten
Unternehmen Zuwendungen aus öffentlichen Kassen, können diese
steuerpflichtiges Entgelt für eine Leistung oder ein nicht
steuerbarer Zuschuss sein. Die Differenzierung zwischen diesen beiden
Tatbeständen ist schwierig.
Fall Strittig
waren Zuwendungen einer Stadt an einen Verein. Dem Verein oblag die
Vorbereitung und Durchführung des Stadtjubiläums sowie die
jährliche Veranstaltung eines Stadtfestes. Hierzu erhielt der Verein
Zuschüsse. Das Finanzamt betrachtete diese als steuerpflichtiges
Entgelt, der Verein hingegen als nicht steuerbaren Zuschuss.
Neues Urteil Der
BFH setzt für die Annahme einer steuerpflichtigen Leistung voraus,
dass zwischen der Leistung und den hierfür erhaltenen Zahlungen ein
unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ferner muss zwischen dem
Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis
bestehen, das auf einen Leistungsaustausch ausgerichtet ist. Bei
Zahlungen aus öffentlichen Kassen fehlt es an einem solchen
Leistungsaustausch, wenn die Zahlung nur der allgemeinen Förderung
des Zahlungsempfängers aus z. B. strukturpolitischen Gründen dient
und nicht der Gegenwert für eine Leistung des Zahlungsempfängers an
den Geldgeber ist. Im vorliegenden Fall sieht der BFH sowohl einen
Leistungsaustausch als auch ein Rechtsverhältnis in Form des
Zuwendungsbescheides der Stadt als gegeben an. Der BFH kommt daher zu
dem Ergebnis, dass die Zuschüsse als Entgelt der Umsatzsteuer
unterliegen. Für die Entscheidung des BFH war es sowohl unerheblich,
dass das Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur war, als
auch die Beantwortung der Frage, ob die Maßnahme im öffentlichen
Interesse liegt.
Konsequenz Unter
Unternehmen herrscht der weit verbreitete Glaube, dass Zahlungen aus
öffentlichen Kassen nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Entsprechend
lassen sie sich häufig, z. T. auch unter dem Druck der Wettbewerber,
auf Bruttovereinbarungen ein. Angesichts des Urteils dürfte ein
nicht steuerbarer Zuschuss jedoch eher die Ausnahme darstellen. Der
BFH weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass er der moderateren
Auffassung der Finanzverwaltung nicht folgt, wonach Zuwendungen aus
öffentlichen Kassen, die ausschließlich auf Grundlage des
Haushaltsrechts vergeben werden, grundsätzlich nicht steuerbare
Zuschüsse sind. Da die Finanzverwaltung das Urteil veröffentlicht
hat, ist davon auszugehen, dass sie dem Urteil zukünftig folgen
wird. Unternehmer, die öffentliche Aufträge annehmen, müssen daher
genau prüfen, ob ihre Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen.
4. Zugesagte
Stiftungsleistungen keine Schenkungsversprechen
Kernfrage Bedarf
das vertragliche Versprechen einer Zuwendung durch eine Stiftung der
notariellen Beurkundung?
Sachverhalt Seit
1991 führten die klagende Stadt und der spätere Stifter der
beklagten Kunststiftung Verhandlungen über die Errichtung und den
Betrieb eines Kunstmuseums sowie über dessen Mitfinanzierung durch
eine noch zu errichtende Stiftung. Die Klägerin gründete eine
Betriebsgesellschaft und erwarb ein ehemaliges Rathaus. Die Beklagte
wurde mit dem Zweck errichtet, die bildende Kunst durch Unterhaltung
von Museen zu fördern. Die Betriebsgesellschaft der Klägerin und
die Beklagte schlossen dazu einen nicht notariell beurkundeten
Finanzierungsvertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, der
Betriebsgesellschaft die jährlichen Erträge aus ihrem
festverzinslich angelegten Vermögen zur Verfügung zu stellen. Die
Gesellschaft wiederum verpflichtete sich, die Beträge zur
Finanzierung der Unterhalts- und Betriebskosten des Museums zu
verwenden. Die Beklagte kehrte die Beträge zunächst aus, stellte
aber schließlich die Zahlungen ein. Die Klägerin begehrte
Rechnungslegung und Zahlung der mit dem Finanzierungsvertrag
versprochenen Zuwendungen. Die Klage blieb vor dem LG und dem OLG
erfolglos. Der BGH hob das Berufungsurteil auf, verurteilte die
Beklagte zur Auskunftserteilung und verwies die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Entscheidung Werden
Destinatären Stiftungsleistungen zugewendet, dient dies der
Erfüllung des Stiftungszwecks. Dabei macht es keinen Unterschied, ob
ein Anspruch auf die Stiftungsleistung bereits durch die
Stiftungssatzung oder erst durch den Abschluss eines Vertrages
begründet wird. Wird durch eine vertragliche Zuwendung von
Stiftungsleistungen allein der Stiftungszweck erfüllt, ist dieser
ihr Rechtsgrund. Daher handelt es sich bei der vertraglichen
Zuwendung von Stiftungsleistungen zur Verwirklichung des
Stiftungszwecks auch dann nicht um ein Schenkungsversprechen, wenn
diese Leistungen unentgeltlich versprochen werden.
Konsequenz Ein
Vertrag über die Zuwendung von Stiftungsgeldern bedarf nicht der
notariellen Form.
5. Händlergarantie ist
umsatzsteuerpflichtig
Einführung Die
Übernahme von Bürgschaften und Sicherheiten ist steuerfrei. Werden
im Zusammenhang mit Kfz-Verkäufen Garantiepakete angeboten, stellt
sich die Frage, ob die Garantien als selbstständige Leistung unter
diese Befreiung fallen oder eine steuerpflichtige Nebenleistung zum
Pkw-Verkauf darstellen.
Fall Ein
Kfz-Händler bot seinen Kunden bei Erwerb eines Gebrauchtwagens ein
Wahlrecht an, ob der Kauf mit oder ohne Gewährleistung erfolgen
sollte. Bei Wahl der Gewährleistung erwarb der Käufer das Recht auf
Reparatur bestimmter Schäden des Kfz innerhalb der Laufzeit der
Garantie. Im Schadensfall stand es dem Händler offen die Reparatur
selbst durchzuführen oder eine andere Werkstatt zu beauftragen. Nach
Ansicht des Händlers waren die Garantien steuerfrei. Zur Begründung
verwies er auf ein Urteil des BFH. Dieser hatte einen Fall
entschieden, in dem der Käufer gegen Zahlung eines Aufpreises
Reparaturansprüche gegen den Verkäufer und
Reparaturkostenersatzansprüche gegenüber einem Versicherer hatte.
Hierin sah der BFH eigenständige Leistungen, die als Vermittlung von
Versicherungsschutz sowie als Übernahme einer Garantie steuerfrei
waren.
Neues Urteil Das
FG Münster folgt zwar den Grundsätzen des BFH-Urteils, hält es
aber im vorliegenden Fall nicht für anwendbar, da der Kunde nur
Ansprüche gegen den Händler und nicht auch gegen eine Versicherung
erwirbt. Nach Ansicht des FG, stellt diese händlereigene Garantie
eine unselbstständige Nebenleistung zum Verkauf des Kfz dar. Sie ist
daher steuerpflichtig.
Konsequenz Die
Behandlung der händlereigenen Garantie ist in der Literatur
umstritten. Da das FG die Revision beim BFH zugelassen hat, wird
dieser wohl Licht ins Dunkel bringen. Bis dahin sollten
Veranlagungen, die in vergleichbaren Fällen unter Berufung auf das
Urteil des FG Münster die Steuerbefreiung versagen, offen gehalten
werden.
6. Ermäßigter
Steuersatz auch bei Abfindungen in 2 Raten möglich
Kernproblem Sind
in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte
enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem
ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Als außerordentliche Einkünfte
kommen u. a. Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für
entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH ist es erforderlich, dass die zu
begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen
sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte
steuerliche Belastungen entstehen. Daran fehlt es, wenn eine
Entschädigung in 2 oder mehreren verschiedenen
Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils
mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein
Progressionsnachteil ergibt.
Sachverhalt Im
Streitfall hatte ein Arbeitnehmer im September 2006 mit seinem
bisherigen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 geschlossen. Es wurde eine
einmalige Abfindungszahlung von 77.257 EUR vereinbart, die aber
abredewidrig vom Arbeitgeber in 2 Teilbeträgen ausgezahlt wurde,
nämlich im September 2006 in Höhe von 1.000 EUR und im Januar 2007
in Höhe von 76.257 EUR. Das Finanzamt verweigerte im Jahr 2007 den
ermäßigten Steuersatz mangels Zusammenballung der gezahlten
Abfindung.
Entscheidung des
BFH Der BFH gewährte den ermäßigten Steuersatz. So sei der
Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches
Tatbestandsmerkmal. Der Zweck der Vorschrift würde trotz Zuflusses
in 2 Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der
Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und
die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag
ausgezahlt wird.
Konsequenz Die
erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liegt in
Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung in
Höhe von 76.257 EUR vor.
7. BMF bezieht Stellung
zum Mehrwertsteuerpaket
Einführung Zum
1.1.2010 erfährt das UStG eine der umfassendsten Änderungen seit
Einführung des Binnenmarktes im Jahr 1993, das Mehrwertsteuerpaket
2010. Hierbei handelt es sich um Vorgaben der EU, die im Rahmen des
JStG 2009 mit Wirkung vom 1.1.2010 in das nationale UStG umgesetzt
wurden. Das Mehrwertsteuerpaket beinhaltet eine grundlegende Änderung
der Ortsbestimmung von Dienstleistungen, die Ausweitung des
Reverse-Charge Verfahrens in der EU, neue Meldepflichten und ein
vereinfachtes Vorsteuervergütungsverfahren zwischen Staaten der EU.
Neue
Verwaltungsanweisung Das BMF hat nun in einem 52-seitigen
Einführungsschreiben zu der ab 2010 geänderten Ortsbestimmung
Stellung bezogen. Dieses ist auf alle Dienstleistungen, die nach dem
31.12.1999 ausgeführt werden, anzuwenden und ersetzt die
entsprechenden Abschnitte 33 bis 42i der UStR 2008.
Konsequenz Unternehmen,
die grenzüberschreitend Dienstleistungen erbringen oder empfangen,
müssen sich schon im Vorfeld mit den Änderungen durch das
Mehrwertsteuerpaket auseinandersetzen. Hierzu zählt auch das Studium
des BMF-Schreibens. Unterbleibt dies, riskieren die Unternehmen
finanzielle Schäden durch die falsche Fakturierung und Deklaration
der Umsatzsteuer im In- und Ausland. Von besonderer Bedeutung sind
die Aussagen des BMF zur neuen Grundregel bei Umsätzen zwischen
Unternehmen. Diese bestimmt, von Ausnahmen abgesehen, dass diese
Umsätze ab 2010 am Ort des Leistungsempfängers steuerbar sind.
Hierzu fordert das BMF z. B. die qualifizierte Überprüfung der
USt-IDNr. der Kunden vor Ausführung der Umsätze, um deren
Unternehmereigenschaft festzustellen.
8. Überlange
sozialgerichtl. Verfahren: Verstoß gegen Rechtsschutz
Kernaussage Eine
Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einer
sozialgerichtlichen Klage hatte Erfolg. Überlange andauernde
Verfahren ohne besondere rechtliche Schwierigkeiten verstoßen gegen
das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 GG).
Sachverhalt Die
beschwerdeführende Vertragsärztin hatte beim Sozialgericht (SG)
Klage wegen mehrerer Honorarbescheide erhoben, die sie im April 2000
um 2 weitere Bescheide erweiterte. Das klageabweisende Urteil des SG
bezog sich nicht auf diese Bescheide, obwohl die Klagen im Januar
2004 verbunden worden waren. Das Berufungsgericht wies im Februar
2006 darauf hin, dass die Berufung wegen der fehlenden
erstinstanzlichen Entscheidung über die beiden Bescheide unzulässig
sei und verwarf diese nach Verfahrenstrennung im Dezember 2007. Das
Urteil wurde im April 2008 zugestellt. Die Beschwerdeführerin erhob
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die das
Bundessozialgericht im März 2009 verwarf. Die Beschwerdeführerin
erinnerte das SG seit Februar 2006 mehrfach an die noch ausstehende
Entscheidung über die beiden Honorarbescheide; bis heute erging eine
solche nicht.
Entscheidung Die
Untätigkeit des SG verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Es ist verfassungsrechtlich
nicht hinnehmbar, dass über den Abschluss eines im April 2000
eingeleiteten Verfahrens, dessen Sachmaterie keine besonderen
Schwierigkeiten aufweist, nach 9 Jahren noch keine Klarheit besteht.
Das SG hatte das Verfahren seit 2004 nicht mehr gefördert. Obwohl
die Beschwerdeführerin den Verfahrensfortgang anfangs erheblich
behinderte, ist dadurch eine derartige Verzögerung nicht zu
rechtfertigen. Ausschlaggebend für die verfassungsrechtliche
Bewertung war, dass das Verfahren von der Berufungseinlegung im
Oktober 2004 bis zur Urteilszustellung im April 2008 über 3 Jahre
gedauert hatte, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestand. Ferner
entsprach es hinsichtlich der beiden "schwebenden Bescheide"
in Anbetracht der unklaren Prozesslage nicht dem Gebot des effektiven
Rechtsschutzes, dass ein Beteiligter trotz mehrfacher Erinnerungen
von Seiten des Gericht darüber im Unklaren gelassen wurde, dass
dieses das Verfahren für abgeschlossen hielt.
Konsequenz Deutsche
Gerichte müssen mit zunehmender Dauer der Verfahren sämtliche ihnen
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung
nutzen.
9. Verständigungsvereinbarungen
über Besteuerung von Abfindungen
Kernaussage Die
auf DBA beruhenden Verständigungsvereinbarungen binden die
Finanzgerichte nicht. Sie haben den Charakter von
Verwaltungsvereinbarungen.
Sachverhalt Ausländische
Arbeitnehmer erhielten von ihren deutschen Arbeitgebern anlässlich
der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses Abfindungszahlungen. Zu
beiden in den Sachverhalten anzuwendenden DBAs hatte das BMF
Verständigungsvereinbarungen mit der jeweiligen ausl. Behörde
geschlossen. Ziel dieser Vereinbarungen war die Vermeidung von
"weißen" Einkünften. Nach den
Verständigungsvereinbarungen waren die Abfindungen in Deutschland zu
besteuern, obwohl die Arbeitnehmer gar nicht in Deutschland ansässig
waren.
Entscheidung Der
BFH stellte sich unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung
auf den Standpunkt, dass Abfindungen ihrem Wesen nach für den
Verlust des Arbeitsplatzes und nicht als zusätzliche Vergütung für
bereits erbrachte Arbeitsleistungen gezahlt werden. Sie können
deshalb nicht im "Tätigkeitsstaat" sondern nur im
Wohnsitzstaat besteuert werden. Eine nach DBA geschlossene
Verständigungsvereinbarung mit anderer Auslegung ändere hieran
nichts, weil sie lediglich die beteiligten Behörden, nicht aber das
Gericht binde. Darüber hinaus, könne auch § 50d Abs. 9 EStG nicht
angewendet werden, weil er nur unbeschränkt steuerpflichtige
Personen erfasse.
Konsequenz Abfindungen
aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind in
DBA-Fällen im Ansässigkeitsstaat zu versteuern.
10. Zahlungen an
Vorstandsmitglieder von gemeinnützigen Vereinen
Einführung Durch
das Gesetz zur weiteren Förderung des bürgerschaftlichen
Engagements ist ab 2007 die Ehrenamtspauschale eingeführt worden.
Danach sind Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit für eine
gemeinnützige Organisation bis zu 500 EUR pro Jahr steuerfrei.
Ausgezahlt werden darf die Ehrenamtspauschale an Vereinsorgane
grundsätzlich nur dann, wenn die Satzung eine entsprechende
Möglichkeit zur Zahlung vorsieht. Nach den Feststellungen der
Finanzverwaltung sind Zahlungen jedoch ohne satzungsmäßiger
Ermächtigung gezahlt worden. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit
droht.
Übergangsfrist Die
Ehrenamtspauschale ist bereits an Vorstandsmitglieder ausbezahlt
worden, obwohl die Satzung eine ehrenamtliche oder unentgeltliche
Tätigkeit vorsieht. Zur Bezahlung des Vorstands gehören auch
Vergütungen, die - z. B. wegen einer Aufrechnung oder der
Vereinbarung einer Rückspende - nicht durch Barzahlung/Überweisung
tatsächlich ausgezahlt werden. In diesen Fällen zieht die
Finanzverwaltung keine negativen Konsequenzen für die
Gemeinnützigkeit, wenn folgende 2 Voraussetzungen vorliegen: 1. Die
Zahlungen waren nicht unangemessen hoch. 2. Bis zum 31.12.2010 wird
eine Satzungsänderung beschlossen, die Tätigkeitsvergütungen
zulässt. An die Stelle einer Satzungsänderung kann ein Beschluss
des Vorstands treten, künftig auf Tätigkeitsvergütungen zu
verzichten.
Konsequenz Das
BMF verlängert die Frist zur Änderung der Satzung vom 31.3.2009
nunmehr zum 4. Mal auf den 31.12.2010. Anscheinend haben zahlreiche
Vereine die Ehrenamtspauschale bereits genutzt, ohne die formellen
Voraussetzungen geschaffen zu haben. Damit liegt ein Verstoß vor,
welcher grundsätzlich mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu
ahnden wäre. Insoweit lässt das BMF noch einmal Gnade vor Recht
ergehen. Betroffene Vereine sollten ihre Satzung bis Ende des
kommenden Jahres ändern. Bei dann noch vorliegenden fehlerhaften
Satzung wird mit einem Wohlwollen des Finanzamtes nicht mehr zu
rechnen sein.
11. Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
Die neue Bundesregierung
hatte bereits im Koalitionsvertrag ihre Absicht bekundet, durch
steuerliche Entlastungen Impulse zu Wirtschaftswachstum und
Beschäftigung zu setzen. Am 9.11.2009 hat sie das "Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
(Wachstumsbeschleunigungsgesetz)" auf den Gesetzgebungsweg
gebracht, um durch zielgerichtete steuerliche Entlastungen einen
stabilen und dynamischen Aufschwung anzuregen. Da diese Maßnahmen
bereits ab dem 1.1.2010 gelten sollen, geben wir Ihnen nachstehend
einen Überblick über die wesentlichen Gesetzesvorschläge. Sie
betreffen die Familienentlastung, die Unternehmensbesteuerung, die
Erbschaftsteuer und die Umsatzsteuer.
Regelungen zur
Familienentlastung und -förderung Familien mit Kindern sollen
steuerlich entlastet und gefördert werden. Dazu wird der
Kinderfreibetrag ebenso wie der Freibetrag für den Betreuungs-,
Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für jedes Kind von insgesamt
6.024 EUR auf 7.008 EUR angehoben. Diese, ab dem Veranlagungszeitraum
2010 geltende Anhebung wird durch eine Erhöhung des Kindergeldes
flankiert, das für jedes steuerlich zu berücksichtigende Kind um 20
EUR erhöht wird. Danach würde das Kindergeld für das 1. und 2.
Kind von 164 EUR auf 184 EUR, für das 3. Kind von 170 EUR auf 190
EUR und für jedes weitere Kind von 195 EUR auf 215 EUR angehoben.
Ein Ehepaar mit einem Kind würde dadurch bei einem zu versteuernden
Einkommen bis 60.000 EUR um rund 200 EUR im Jahr entlastet.
Regelungen zur
Unternehmensbesteuerung Sofortabschreibung geringwertiger
Wirtschaftsgüter
Für geringwertige
Wirtschaftsgüter, die einer eigenen Nutzung fähig sind, wird - wie
bis zur Unternehmensteuerreform 2008 - wieder ein
Abschreibungswahlrecht eingeführt. Wirtschaftsgüter mit
Anschaffungskosten bis 410 EUR netto können wieder sofort
abgeschrieben werden, wobei solche Wirtschaftsgüter, deren
Anschaffungskosten 150 EUR übersteigen, wie vor der
Unternehmensteuerreform 2008, in einem laufend zu führenden
Verzeichnis erfasst werden müssen. Alternativ bleibt es für
Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von mehr als 150 EUR, aber
nicht mehr als 1.000 EUR beim Wahlrecht zur Einstellung in einen
Sammelposten (Poolabschreibung). Diese Regelung ist auf alle
Wirtschaftsgüter anwendbar, die nach dem 31.12.2009 angeschafft
werden. Das Wahlrecht kann je Wirtschaftsjahr nur einheitlich
ausgeübt werden.
Entlastungen bei den
Abzugsbeschränkungen für Zinsen
Durch die
Unternehmensteuerreform 2008 wurde der Zinsabzug von Unternehmen
(Betrieben) begrenzt. Diese Regelung der Zinsschranke (§ 4h EStG, §
8a KStG) soll ebenfalls durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
zugunsten eines höheren Zinsabzugs für den Steuerpflichtigen
verbessert werden. Dazu wird die Freigrenze für einen schädlichen
Zinssaldo, die im Zuge des "Bürgerentlastungsgesetzes
Krankenversicherung" von 1,0 Mio. EUR auf 3,0 Mio. EUR für die
Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 erhöht wurde, nunmehr dauerhaft
eingeführt. Zudem ist nach gegenwärtiger Rechtslage Zinsaufwand bis
zu 30 % des so genannten steuerlichen EBITDA (im Wesentlichen handelt
es sich dabei um den steuerlichen Gewinn zuzüglich Zinsaufwendungen
und Regelabschreibungen auf Anlage-Wirtschaftsgüter) abziehbar. Die
Entwurfsregelung sieht vor, dass in den Jahren, in denen dieser
Abzugsrahmen von 30 % des EBITDA durch den tatsächlichen Zinsaufwand
nicht ausgeschöpft wurde, gleichwohl aber die Freigrenze
überschritten war, der entsprechende nicht genutzte EBITDA-Anteil in
zukünftige Wirtschaftsjahre vorgetragen wird. Der jeweilige
EBITDA-Vortrag ist auf 5 Jahre begrenzt. Kommt allerdings die
Zinsschranke wegen einer Escape-Klausel (Freigrenze von 3,0 Mio. EUR,
keine Konzernzugehöhrigkeit ohne schädliche
Gesellschafterfremdfinanzierung oder positiver
Eigenkapitalquotenvergleich) nicht zum Tragen, kann aus diesem
Wirtschaftsjahr kein EBITDA-Vortrag hergeleitet werden. Eine
Übergangsregelung sieht vor, dass auf Antrag bereits nicht
berücksichtigte EBITDA-Beträge der Veranlagungszeiträume 2007 und
2008 vorgetragen werden können. Zudem wird der als
Zinsschranken-Escape ausgestaltete Eigenkapitalquotenvergleich
hinsichtlich seiner schädlichen Abweichungsmöglichkeiten von 1
Prozentpunkt auf 2 Prozentpunkte abgeändert.
Lockerung der
Beschränkungen einer Verlustnutzung bei schädlichem
Gesellschafterwechsel
Im Zuge der
Unternehmensteuerreform 2008 wurde insbesondere die Regelung des §
8c KStG eingeführt. Danach wird der Verlustabzug einer Körperschaft
bei einem so genannten schädlichen Anteilserwerb von mehr als 25 %
quotal und von mehr als 50 % vollständig versagt. Insbesondere waren
weder eine Konzern- noch eine Sanierungsklausel vorgesehen. Der
Gesetzentwurf sieht nun eine solche Konzernklausel vor. Aufgrund des
geplanten Satz 5 in § 8c Abs. 1 KStG bleiben Verlustvorträge bei
konzerninternen Beteiligungserwerben erhalten, wenn eine Person zu
100 % unmittelbar oder mittelbar an der übertragenden und
übernehmenden Gesellschaft beteiligt ist. Zudem wird die durch das
"Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung" in § 8c
Abs. 1a KStG eingeführte Sanierungsklausel ohne die im
BürgerentlastungsG enthaltene zeitliche Begrenzung unbefristet
weitergeführt. Auch in den Fällen des Anteilserwerbs außerhalb
eines Konzerns oder einer Sanierung soll § 8c Abs. 1 "entschärft"
werden. Dazu sieht die Neuregelung in den Sätzen 6 und 7 vor, dass
trotz schädlichen Anteilserwerbs Verluste der betreffenden
Kapitalgesellschaft (je nach schädlichem Anteilserwerb quotal oder
vollständig) in Höhe stiller Reserven des inländischen
Betriebsvermögens der Körperschaft erhalten bleiben. Anwendbar
sollen diese "Entschärfungen" auf Anteilsübertragungen
sein, die nach dem 31.12.2009 stattfinden.
Gewerbesteuerliche
Verbesserungen
Die Gewerbesteuer sieht
umfangreiche Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen, auch aus
Miet- und Pachtzinsen für Immobilien vor, die bisher mit 65 %
angenommen und auf 50 % reduziert wurden. Die Änderung ist ab dem
Erhebungszeitraum 2010 anwendbar.
Neueinführung einer
grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel
Umstrukturierungen von
Unternehmen sollen durch eine Konzernklausel erleichtert werden.
Umwandlungsvorgänge i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 UmwG, also
Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung sollen keine
Grunderwerbsteuer auslösen. Diese Grunderwerbsteuerbefreiung ist mit
einer Behaltefrist für das Grundstück gekoppelt, die 5 Jahre nach
dem Umwandlungsvorgang beträgt. Dasselbe gilt für die Anteile an
der Gesellschaft, der das Grundstück gehört. Die Regelungen sind
auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht
werden.
Entlastungen bei der
Erbschaft- und Schenkungsteuer Bei der Erbschaft- und
Schenkungsteuer wird es 2 wesentliche Änderungen geben. Die eine
betrifft die Unternehmensnachfolge, die andere die
erbschaftsteuerlichen Steuersätze. Die Bedingungen für die
Unternehmensnachfolge sollen krisenfester ausgestaltet werden. Dazu
werden die in § 13a ErbStG geregelten Begünstigungen von
Betriebsvermögen verbessert. 85 % eines begünstigten
Betriebsvermögens soll steuerfrei bleiben, wenn das Unternehmen 5
Jahre (statt bisher 7 Jahre) fortgeführt wird und die Lohnsumme am
Ende des gesamten Zeitraums nicht unter 400 % (statt bisher 650 %)
der Ausgangslohnsumme gesunken ist, wobei dies bei Betrieben mit mehr
als 20 (bisher mehr als 10) Mitarbeitern gilt. Auch die auf Antrag
mögliche vollständige Steuerfreiheit wird verbessert. Begünstigtes
Betriebsvermögen bleibt zu 100 % steuerfrei, wenn das Unternehmen 7
Jahre (statt bisher 10 Jahre) fortgeführt wird und die Lohnsumme am
Ende des gesamten Zeitraums nicht unter 700 % (statt bisher 1.000 %)
der Ausgangssumme gesunken ist. Auch hier sind diese Voraussetzungen
nur von Betrieben mit mehr als 20 (statt bisher mehr als 10)
Mitarbeitern zu erfüllen. Die erbschaftsteuerlichen Steuersätze der
Steuerklasse II werden abgesenkt. Die erbschaftsteuerlichen
Änderungen sind auf Erwerbe anwendbar, für die die Steuer nach dem
31.12.2009 entsteht.
Vergünstigungen bei
der Umsatzsteuer Ab dem 1.1.2010 werden
Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe zur
kurzfristigen Beherbergung nur noch 7 % Umsatzsteuer auslösen.
Das weitere
Gesetzgebungsverfahren Der vorstehend geschilderte
Gesetzentwurf wurde am 9.11.2009 im Bundeskabinett beschlossen. Die
erste Lesung im Bundestag ist am 12.11.2009, die 2./3. Lesung für
den 4.12.2009 geplant. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz am 18.12.2009
zu, werden die geplanten Regelungen am 1.1.2010 in Kraft treten. Über
die endgültige Gesetzesfassung werden wir unverzüglich in "DHPG
aktuell" informieren.
12. Fristlose Kündigung
bei Missbrauch von Zugriffsrechten
Kernfrage/Rechtslage Der
Missbrauch zentraler Vertrauenspositionen in einem Unternehmen kann
je nach Schwere des Verstoßes auch ohne Abmahnung eine fristlose
Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Entscheidend ist,
dass das Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört ist. Das
Landesarbeitsgericht München hatte jüngst über die Frage der
Vertrauensposition eines EDV-Administrators zu entscheiden.
Entscheidung Der
Kläger war bei der Beklagten als Systemadministrator beschäftigt.
Anfang August 2007 hatte die Beklagte den Kläger wegen diverser
arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen abgemahnt. Im Zuge der
Diskussion im Vorfeld der Abmahnung hatte der Kläger auf das Firmen-
Laufwerk "p:\Personal" zugegriffen und dort Daten
eingesehen. Während der Urlaubsabwesenheit eines Geschäftsführers
legte der Kläger dem anderen Geschäftsführer eine Reihe von
E-Mails des abwesenden Geschäftsführers, die er zuvor gelesen und
ausgedruckt hatte, mit dem Hinweis vor, dass sich der abwesende
Geschäftsführer offensichtlich vertragswidrig verhalte und dadurch
das Unternehmen, die Beklagte, schädige. Daraufhin wurde das
Arbeitsverhältnis wegen des Zugriffs auf die E-Mails des
Geschäftsführers und die Dateien der Personalstelle fristlos
gekündigt. Der Kläger unterlag auch vor dem Landesarbeitsgericht,
weil er in schwerer Weise die ihm übertragenen Befugnisse und
technischen Möglichkeiten missbraucht habe. Ein EDV-Administrator
habe eine Vertrauensposition inne, deren Kompetenzen auch in
Ausnahmesituationen nicht ausgenutzt werden dürften. Daher sei auch
die fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt.
Konsequenz Missbraucht
ein EDV-Administrator die ihm übertragenen Kompetenzen erheblich und
späht er Daten aus, dann ist jedenfalls bei Hinzutreten weiterer
Faktoren in der Regel eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung
zulässig.
13. Altersgrenze von 65
Jahren für Beamte ist wirksam
Kernfrage/Rechtslage Das
Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierungen, unter
anderem die Diskriminierung wegen des Alters. Gesetzliche Regelungen,
die eine solche Altersdiskriminierung enthalten - in der Regel solche
Normen, die Rechtsfolgen an eine feste Altersgrenze knüpfen - sind
dann unwirksam, es sei denn, die Diskriminierung ist durch einen
(höheren) sachlichen Grund gerechtfertigt. Der Hessische
Verwaltungsgerichtshof hatte vor diesem Hintergrund über die
Wirksamkeit der Regelung des Landesbeamtengesetzes zu entscheiden,
nach der Beamte mit Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem
Beamtendienst ausscheiden.
Entscheidung Ein
Beamter hatte sich im Wege eines Einstweiligen Verfügungsverfahrens
dagegen gewehrt, mit Vollendung seines 65. Lebensjahrs nach den
einschlägigen beamtenrechtlichen Regelungen in den Ruhestand treten
müssen. In der ersten Instanz bekam er Recht, allerdings hatte die
vom Land eingelegte Beschwerde Erfolg. Die einschlägigen
beamtenrechtlichen Regelungen seien mit den höherrangigen
europäischen Antidiskriminierungsregelungen vereinbar. Zwar stelle
die Regelung eine Diskriminierung dar, sie sei aber gerechtfertigt,
weil sie dem legitimen Zweck diene, eine durchmischte Altersstruktur
in der Beamtenschaft sicherzustellen. Zudem sei die Altersgrenze
nicht willkürlich festgelegt, sondern entspreche derjenigen des
privaten Sektors. Schließlich spiegele die Regelung den
gesellschaftlichen Konsens wider, wonach ältere Arbeitnehmer ab
einem gewissen Zeitpunkt den Platz für jüngere freimachen müssten.
Konsequenz Die
Entscheidung überrascht nicht. Sie entspricht einer Entscheidung,
die der Europäische Gerichtshof für den privaten Sektor bereits
getroffen hatte. Insoweit ist vielmehr die Entscheidung der ersten
Instanz kaum nachzuvollziehen. Das Interesse an einer durchmischten
Altersstruktur ist dort, wo das Interesse einschlägig ist, in der
Regel geeignet, Altersdiskriminierungen zu rechtfertigen.
14. Rückzahlung von
Ausbildungskosten
Kernfrage/Rechtslage Übernimmt
ein Arbeitgeber Ausbildungskosten für einen Arbeitnehmer werden
häufig Rückzahlungsvereinbarungen getroffen, die dann wirksam
werden, wenn der Arbeitnehmer vor Ablauf einer bestimmten Zeit aus
dem Dienst des Arbeitgebers ausscheidet. Für die Dauer der
Bindungsfristen (maximal 3 Jahre in Abhängigkeit von den Kosten und
der Dauer der Ausbildung) gibt es feste Grundsätze der
Arbeitsgerichte. Darüber hinaus ist es gefestigte
arbeitsgerichtliche Rechtsprechung, dass solche Klauseln, die eine
Rückzahlung vorsehen, ohne dass differenziert wird, von welcher
Seite und aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis beendet worden
ist, generell unwirksam sind. Der Bundesgerichtshof hatte jetzt in
einer zivilrechtlichen Entscheidung darüber zu befinden, ob die
arbeitsgerichtlichen Grundsätze in das Zivilrecht übertragbar sind.
Entscheidung Eine
technische Prüforganisation (die Klägerin) verlangte die
(Rück)Zahlung anteiliger Kosten einer von ihr durchgeführten
Ausbildung des Beklagten zum KFZ-Prüfingenieur. Der Beklagte hatte
einen Anstellungsvertrag mit einem Partnerbüro der Klägerin. Dieser
Vertrag sah vor, dass sich der Beklagte an einer Akademie der
Klägerin zum KFZ-Prüfingenieur ausbilden lassen sollte. Die Kosten
hierfür sollte das Partnerbüro übernehmen, wobei der Beklagte zur
Rückzahlung verpflichtet sein sollte, wenn das Anstellungsverhältnis
gekündigt würde. Parallel dazu schlossen die Klägerin und der
Beklagte unmittelbar einen Ausbildungsvertrag, in dem sich die
Klägerin verpflichtete, den Beklagten zum Prüfingenieur
auszubilden. Die letzten Rate des Ausbildungsentgeltes sollte auf die
Dauer von längstens 3 Jahren ab dem erfolgreichen Abschluss der
Ausbildung zinslos gestundet und schließlich erlassen werden,
solange der Beklagte in dieser Zeit durchgehend bei einem
Vertragspartner der Klägerin angestellt oder selbstständig für sie
tätig wäre. Das vertragliche Regelwerk wurde zusätzlich noch durch
weitere Verträge, unter anderem einem Darlehensvertrag, in Höhe der
Ausbildungskosten flankiert. Als der Beklagte vor Ablauf der
3-jährigen Frist zu einem anderen Unternehmen wechselte, verlangte
die Klägerin die (Rück)Zahlung der letzten Teilrate der
Ausbildungsvergütung und unterlag. Der Bundesgerichtshof hielt die
Rückzahlungsregelung für unwirksam. Zwar sei der Ausbildungsvertrag
hier nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande gekommen.
Allerdings müsse der Vertrag in seiner Gesamtheit gewürdigt werden,
so dass die von den Arbeitsgerichten entwickelten Grundsätze
entsprechend angewendet werden könnten. Danach sei die Regelung,
weil sie im Hinblick auf die Beendigungsgründe nicht differenziere,
unwirksam.
Konsequenz Die
Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie für eine einheitliche
Rechtsprechung sowohl in der Arbeitsgerichtsbarkeit als auch in der
Zivilgerichtsbarkeit sorgt. Maßgeblich sind die arbeitsrechtlichen
Grundsätze.
15. Haltung von Großtieren
in einem Wohngebiet nicht unbedingt zulässig
Kernfrage/Rechtslage Die
Tierhaltung in einem allgemeinen Wohngebiet im Randbereich zum
landwirtschaftlich geprägten Außenbereich stellt regelmäßig den
Auslöser nachbarrechtlicher Streitigkeiten dar. Eine ähnliche
Spannungslage entsteht dort, wo ein landwirtschaftliches Unternehmen
durch eine wachsende Wohnbebauung "geschluckt" wird. Der
Verwaltungsgerichtshof des Landes Bayern hat in einer
Einzelfallentscheidung zur Frage der Zulässigkeit der Tierhaltung in
diesem Spannungsfeld Stellung genommen.
Entscheidung Im
Randbereich eines allgemeinen Wohngebietes wurden ein Pferd und ein
Esel in einem Stall gehalten. Damit waren die Nachbarn nicht
einverstanden. Es gab Beschwerden über Geruchsbelästigungen und ein
vermehrtes Fliegenaufkommen. Die Baubehörde forderte die Tierhalter
darauf hin auf, die Großtierhaltung zu beenden, die Mistlagerung
einzustellen und einen Bauantrag für das illegale Stallgebäude
nachträglich einzureichen, allerdings nicht für die Haltung
größerer Tiere. Der Verwaltungsgerichtshof Bayern gab den
Tierhaltern Recht. Entscheidend sei, ob die Haltung von Großtieren
als zulässige Nebennutzung noch der Nutzung der Umgebung als
allgemeines Wohngebiet unterfalle. Eine allgemeine Entscheidung sei
nicht möglich; die konkrete Einzelfallentscheidung falle zugunsten
der Tierhalter aus. Grundsätzlich sei die Tierhaltung insbesondere
im Bereich des Übergangs in den sogenannten baurechtlichen
Außenbereich denkbar. Hinzu käme, dass ein Gutachter festgestellt
habe, dass die Geruchsbelästigung durch regelmäßiges Entmisten
reduziert werden könne. Die Grundzüge der Bauplanung seien (noch)
nicht berührt.
Konsequenz In
solchen Wohnlagen, die in den baurechtlichen Außenbereich übergehen,
kann auch eine private Großtierhaltung zulässig sein. Entscheidend
sind aber immer die Umstände des Einzelfalls. Jedenfalls muss stets
eine ordnungsgemäße und nachbarschaftsschonende Haltung
sichergestellt sein.
16. Gleicher
Arbeitsvertrag trotz ständiger Überstunden
Kernfrage/Rechtslage Werden
einem Arbeitnehmer zusätzliche Aufgaben übertragen oder kommt es
dauerhaft vor, dass er über seine eigentliche Arbeitszeit hinaus vom
Arbeitgeber zu Mehrarbeit herangezogen wird, die auch zusätzlich
vergütet wird, stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Zuweisung
der zusätzlichen Aufgaben bzw. Mehrarbeit durch das Direktionsrecht
des Arbeitgebers gedeckt ist, so dass eine Änderung der Weisung
möglich ist, oder ob es sich um eine Änderung der
Arbeitsbedingungen bzw. des Arbeitsvertrages handelt, was dann eine
Änderungskündigung erforderlich machen würde, wollte der
Arbeitgeber anderweitig delegieren. Das Bundesarbeitsgericht hat in
einer jüngeren Entscheidung zur Abgrenzung zwischen Ausübung des
Direktionsrechts und Arbeitsvertragsänderung Stellung genommen.
Entscheidung Ein
Lagerverwalter hatte zusätzlich zu seinen üblichen Aufgaben den
Schließdienst im Betrieb zugewiesen erhalten, dessen Durchführung
Überstunden erforderlich machte, die zu einem "Mehrlohn"
von 200 EUR im Monat führten. Nach 18 Jahren beabsichtigte der
Arbeitgeber, den Schließdienst anderweitig zu vergeben. Hiergegen
klagte der Arbeitnehmer mit dem Ziel, einer verlängerten
Wochenarbeitszeit bzw. der Weiterbeauftragung mit dem Schließdienst
und unterlag zuletzt vor dem Bundesarbeitsgericht. Die Zuweisung des
Schichtdienstes stelle keine Änderung des Arbeitsvertrages dar,
sondern liege im Direktionsrecht des Arbeitsgebers. Letztlich habe
der Arbeitgeber fortlaufend Überstunden angeordnet. Eine Änderung
der Ausübung des Direktionsrechtes auch nach 18 Jahren sei zulässig.
Für eine Änderung des Arbeitsvertrages hätte es übereinstimmende
Erklärungen der Parteien geben müssen, die aber nicht vorlagen.
Konsequenz Die
Entscheidung ist als Stärkung des arbeitgeberseitigen
Direktionsrechts zu begrüßen. In der praktischen Ausgestaltung gilt
es aber, vergleichbare Sachverhalte so zu handhaben, dass der
Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers keine betriebliche
Übung bzw. eine stillschweigende Veränderung des Arbeitsvertrages
ableiten kann.
17. Erbschaftsteuer:
Zusammenrechnung früherer Erwerbe
Kernfrage/Rechtslage Das
Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sieht für die zutreffende
Besteuerung mehrerer Erwerbe, die jemand innerhalb von 10 Jahren von
der selben Person erhalten hat, vor, dass die Gesamtsteuerlast unter
Berücksichtigung der für einen Vorerwerb bereits festgesetzten
Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer ermittelt werden muss. Diese (erste)
festgesetzte Steuer wird im Rahmen der Besteuerung des Gesamterwerbes
angerechnet. Der Bundesfinanzhof hatte jetzt darüber zu entscheiden,
ob es im Rahmen der Anrechnung auf die bestandskräftig festgesetzte
Steuer ankommt, oder - selbst bei bestandskräftiger
Steuerfestsetzung - auf diejenige Steuer, die bei zutreffender
Beurteilung des Sachverhalts festzusetzen gewesen wäre.
Entscheidung Geklagt
hatte eine Steuerpflichtige, die von ihrer Mutter zunächst ein
landwirtschaftliches Unternehmen geschenkt bekommen hatte. Für diese
Schenkung wurde Schenkungsteuer festgesetzt, wobei die
Betriebsvermögensprivilegien nicht gewährt wurden. Als die Mutter
innerhalb von 10 Jahren verstarb, wurde der Erwerb von Todes wegen
erneut der Besteuerung unterworfen. Dabei berücksichtigte das
Finanzamt bei der Ermittlung der Gesamtsteuerlast die bei der
Schenkung festgesetzte und bestandskräftig gewordene Schenkungsteuer
und gewährte weiterhin keine Betriebsvermögensprivilegien.
Hiergegen wandte sich die Steuerpflichtige und begehrte Herabsetzung
der festgesetzten Gesamtsteuer, insbesondere auch, weil ihr die
Betriebsvermögensprivilegien zu gewähren seien, und erhielt vor dem
Bundesfinanzhof Recht. Tatsächlich sei bei der Ermittlung der
Gesamtsteuerlast diejenige Steuer zu berücksichtigen, die -
unabhängig von allen verfahrensrechtlichen Fragen - bei zutreffender
Würdigung des Sachverhalts festzusetzen gewesen wäre. Die
eingetretene Bestandskraft verhindere dies nicht. Dennoch sei jeder
Erwerb steuerlich selbstständig zu beurteilen. Im Falle der Klägerin
führe dies zwar dazu, dass ihr der Bewertungsabschlag für das
Betriebsvermögen zu gewähren sei, der Betriebsvermögensfreibetrag
bleibe ihr aber versagt, weil sie den erforderlichen Antrag nicht
gestellt habe.
Konsequenz Die
Entscheidung ist eindeutig. Alleine die zutreffende (Erst)Steuer ist
bei der Festsetzung der Gesamt-Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer
maßgeblich. Dies kann bei unzutreffender, aber bestandskräftig
gewordener (Erst)Steuerfestsetzung sowohl günstige als auch
ungünstige steuerliche Folgen haben. In jedem Fall wird die
(Erst)Steuerfestsetzung nochmals überprüft werden müssen.
18. Zuckerrübenlieferrecht:
Schätzung der Nutzungsdauer
Urteilsfall: Die Klägerin
erwarb im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in
den Jahren 1991 und 1992 Zuckerrübenlieferungsrechte. Im
Wirtschaftsjahr 1999/2000 machte sie erstmals Absetzungen für
Abnutzung (AfA) geltend. Zur Berechnung wurden die Anschaffungskosten
linear auf 15 Jahre verteilt. Das Finanzamt versagte die Abschreibung
gänzlich. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Finanzgericht hatte
keinen Erfolg. Das Finanzgericht würdigte das
Zuckerrübenlieferungsrecht als Recht von unbestimmter Dauer, welches
Gewissheit über das Ende, jedoch nicht über den Zeitpunkt des
Wegfalls habe. Daher ist eine auf Schätzungsbasis beruhende AfA
nicht in Ansatz zu bringen.
Entscheidung Der
BFH hatte bereits im Juni 1999 entschieden, dass
Zuckerrübenlieferungsrechte immaterielle Wirtschaftsgüter sind.
Durch Erwerb handelt es sich um entgeltlich erworbene immaterielle
Wirtschaftgüter, die entweder abnutzbar oder als immerwährende
Rechte zu den nicht abnutzbaren Rechten gehören. Nicht abnutzbar und
damit nicht fähig, AfA geltend zu machen, so der BFH, sind
immaterielle Wirtschaftsgüter, deren Nutzung weder unter rechtlichen
noch wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich begrenzt ist. In
Zweifelsfällen gilt der Vorsichtsgrundsatz, so dass von zeitlich
begrenzten Nutzungen auszugehen ist. Die gilt auch für
Zuckerrübenlieferungsrechte. Denn die Verlängerungen waren
politisch innerhalb der EU, aber auch im Hinblick auf das
Welthandelsabkommen umstritten. Insofern besteht Gewissheit über ihr
Ende, es mangelt lediglich an der Kenntnis des konkreten Zeitpunkts.
Dies führt zur AfA-Berechtigung. In Ermangelung eine
betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer ist diese grundsätzlich zu
schätzen. Der BFH sah in der 15-jährigen Nutzungsdauer keinen zu
niedrigen Ansatz, hatte hierüber aber inhaltlich abschließend nicht
zu entscheiden.
Fazit Analog zu
Milchquoten, bei denen eine 10-jährige Nutzungsdauer zu Grunde
liegt, sind nunmehr auch Zuckerrübenlieferungsrechte den Absetzungen
für Abnutzungen zu unterwerfen. Die Nutzungsdauer ist hierbei in
Anlehnung an den Fortbestand der Quotenregelung zu schätzen.
19. Dürfen
Dauerschuldzinsen für Gewerbesteuer hinzugerechnet werden?
Kernproblem Bis
zum Jahr 2007 waren bei der Gewerbesteuer sog. Dauerschuldzinsen dem
Gewerbeertrag hälftig hinzuzurechnen. Die Anwendung dieser
Vorschrift auf eine spezielle Fallkonstellation hat der BFH nun dem
Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Sachverhalt Eine
deutsche GmbH war seit dem 8. August 2003 eine 100 %ige
Tochtergesellschaft einer niederländischen B. V. Aus verschiedenen
Darlehensverträgen, die zwischen August 2003 und Dezember 2004
abgeschlossen wurden, zahlte die GmbH im Jahr 2004 insgesamt 154.584
EUR Zinsen an ihre Muttergesellschaft. Das Finanzamt rechnete die
Hälfte der Zinsen dem Gewerbeertrag der GmbH zu.
Rechtsfrage Der
BFH hat Zweifel, ob die Hinzurechnung im konkreten Fall mit der
EU-Zins- und Lizenzrichtlinie in Einklang steht. Nach dieser
Richtlinie werden Zinseinkünfte, die ein in einem EU-Mitgliedstaat
ansässiges Unternehmen von einem in einem anderen EU-Mitgliedstaat
ansässigen verbundenen Unternehmen erzielt, von allen in dem anderen
Staat darauf erhebbaren Steuern befreit. Auch wenn es im vorliegenden
Fall nicht um die Besteuerung der Zinsen beim Empfänger, sondern um
den steuerlichen Abzug beim Zahlenden geht, so hält der BFH einen
Verstoß gegen die Richtlinie doch immerhin für möglich und
begründet dies damit, dass andere Sprachfassungen der Richtlinie
eine weitergehende Befreiung vorsehen als die deutsche Fassung.
Konsequenz Die
Stellungnahme des EuGH zu dieser Frage darf mit Spannung erwartet
werden. Zwar hat sich die konkrete Rechtsfrage für die Jahre ab 2008
erledigt, weil die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von
Dauerschuldzinsen entfallen ist. Sollte der EuGH jedoch einen Verstoß
gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie feststellen, dürfte dieser
Verstoß für die ab 2008 geltenden Hinzurechnungsvorschriften für
Zinsen und Zinsanteile in bestimmten Nutzungsüberlassungen ebenfalls
von Bedeutung sein.
20. Nachträgliche
Änderung der Gewinnverteilung
Kernproblem Bestandskräftig
gewordene Steuerbescheide können nach den Vorschriften der
Abgabenordnung nur unter engen Voraussetzungen geändert werden. Eine
Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen ist
uneingeschränkt nur möglich, soweit sie zu einer höheren Steuer
führt. Resultiert aus der neuen Tatsache eine geringere Steuer,
erfolgt eine Änderung normalerweise nur, wenn den Steuerpflichtigen
kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsache erst
nachträglich bekannt geworden ist.
Sachverhalt Eine
GbR erzielte im Jahr 2000 Einkünfte von 64.000 DM, die zunächst zu
gleichen Teilen auf die beiden Gesellschafter A und B verteilt
wurden. Der entsprechende Feststellungsbescheid wurde im November
2002 bestandskräftig. Im Januar 2003 beantragte die GbR eine
Änderung des Bescheides und eine Aufteilung des Gewinns von 44.000
DM (A) und 20.000 DM (B). Grund für die Änderung sei eine
abweichende (mündlich geschlossene) Gewinnverteilungsabrede, wonach
A einen Vorabgewinn von 40.000 DM und B einen Vorabgewinn von 16.000
DM erhalten sollte. Das Finanzamt lehnte die Änderung ab, weil in
der verspäteten Mitteilung der Gewinnverteilung ein grobes
Verschulden liege.
Entscheidung Finanzgericht
und Bundesfinanzhof sehen dies anders, wobei die Argumentation des
BFH in ihrer Stringenz überzeugt: Zunächst stellen die Richter
fest, dass bei der Gewinnfeststellung einer Personengesellschaft die
Frage, ob eine Änderung zu einer höheren oder niedrigeren Steuer
führt, nur anhand der Besteuerungsgrundlagen (Höhe der Einkünfte)
zu beantworten ist. Ob diese sich erhöhen oder verringern, ist für
jeden Feststellungsbeteiligten einzeln zu beurteilen. Nach dieser
Auslegung ist der Feststellungsbescheid hinsichtlich der Einkünfte
des A in jedem Fall zu ändern, weil sich für ihn höhere Einkünfte
ergeben. Die Einkünfteminderung für B steht in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Einkünfteerhöhung des A. Damit ist der
Bescheid auch mit Wirkung für B zu ändern, ohne dass es hierbei auf
ein Verschulden ankommt.
Konsequenz Den
Klägern kam im Streitfall zugute, dass die Änderungen der
Gewinnanteile beider Gesellschafter sich gegenseitig bedingten. Somit
war das Verschulden, das beide an dem nachträglichen Bekanntwerden
der abweichenden Gewinnverteilung traf, nicht entscheidend. In anders
gelagerten Fällen scheitert hingegen eine Änderung zugunsten des
Steuerpflichtigen häufig daran, dass Angaben oder Tatsachen bei
Abgabe der Erklärungen schlicht vergessen werden. Ein Grund mehr,
bei der Erstellung und Abgabe von Steuererklärungen besondere
Vorsicht walten zu lassen!
21. Eigentumsübergang bei
aufschiebender Bedingung
Kernproblem Bei
einem Verkauf können die Vertragsparteien auch bestimmen, zu welchem
Zeitpunkt das Eigentum an der verkauften Sache oder dem Recht auf den
Erwerber übergehen soll. Außerdem kann der Eigentumsübergang auch
vom Eintritt einer bestimmten - im Vertrag festgelegten - Bedingung
abhängig gemacht werden. Dieser zivilrechtliche Eigentumsübergang
entspricht regelmäßig auch dem Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums, das für die Besteuerung maßgeblich ist.
Sachverhalt Mit
Vertrag vom 21.12.1993 veräußerten die Gesellschafter einer KG ihre
Anteile an einer GmbH. Die Anteile sollten vertragsgemäß mit
dinglicher Wirkung zum 1.1.1994 auf die GmbH übertragen werden. Der
Kaufpreis war teilweise in bar und teilweise in Aktien einer an der
Schweizer Börse notierten AG zu leisten. Die gesamte Übertragung
stand vertragsgemäß unter der aufschiebenden Bedingung, dass das
Bundeskartellamt der Übertragung zustimmt. Diese Zustimmung erfolgte
am 25.3.1994.
Entscheidung Der
Bundesfinanzhof hat entschieden, dass im vorliegenden Fall das
wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen erst mit Eintritt der
aufschiebenden Bedingung, also am 25.3.1994, auf den Erwerber
übergegangen ist, weil der Bedingungseintritt nicht allein vom
Erwerber beeinflusst werden konnte.
Konsequenz Die
Entscheidung hat nicht nur Einfluss auf den Zeitpunkt, sondern auch
auf die Höhe des von den Alt-Gesellschaftern realisierten
Veräußerungsgewinns. Denn bei einer Veräußerung, bei der der
Veräußerungspreis ganz oder teilweise in Form von Sachgütern
(hier: Aktien) besteht, richtet sich die Höhe des
Veräußerungspreises nach dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der
Veräußerung. Da Aktien regelmäßigen Kursschwankungen unterliegen,
können die Auswirkungen und die damit verbundenen Risiken -
insbesondere bei einem späten Bedingungseintritt - erheblich sein.
22. Unwahre,
ehrverletzende Kündigungsgründe: Auflösung und Abfindung
Kernfrage/Rechtslage Kommt
ein Arbeitsgericht zu dem Schluss, dass eine Kündigung unwirksam
ist, ist das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das
Kündigungsschutzgesetz sieht aber vor, dass ein Auflösungsantrag
gestellt werden kann, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
unzumutbar ist. Das Arbeitsverhältnis wird dann durch Urteil
aufgelöst und das Gericht setzt eine Abfindung fest. In diesen
Fällen wird dem Arbeitgeber also die Entscheidung genommen, das
Arbeitsverhältnis fortsetzen zu können. Das Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein hat zu den Voraussetzungen eines solche
Auflösungsantrages Stellung genommen.
Entscheidung Die
Klägerin war 10 Jahre als Altenpflegehelferin beschäftigt. Der
Arbeitgeber warf der Klägerin zunächst vor, eine an Parkinson
leidende Bewohnerin leichtfertig angerempelt und so zu Fall gebracht
und anschließend nicht versorgt zu haben. Er kündigte daraufhin das
Arbeitsverhältnis fristgerecht. Zusätzlich hatte er abschließend
festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des gezeigten Verhaltens
auf einer Pflegestation zur Betreuung auch sehr kranker Bewohner
nicht tragbar sei. Im Kündigungsschutzprozess musste er seine
Aussagen "relativieren". Das Arbeitsgericht gab der
Kündigungsschutzklage statt und stellte außerdem die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung fest. Die
hiergegen vom Arbeitgeber eingelegte Berufung blieb erfolglos. Die
Schwere des nicht aufrecht zu erhaltenden Vorwurfes, die Klägerin
könne nicht verantwortungsvoll mit Patienten umgehen, erreiche eine
Intensität, die befürchten lasse, dass der Arbeitgeber in anderen
Fällen ähnliche Verhaltensweisen zeigen werde, so dass eine
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei.
Konsequenz Das
Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Kündigung ist
geeignet, einen Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Will der
Arbeitgeber also, bspw. um die wirtschaftliche Belastung mit einer
gerichtlich festgesetzten Abfindung abzuwenden, verhindern, dass es
bei unwirksamer Kündigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses
kommt, muss er sein Verhalten entsprechend anpassen.
23. Gebühr für
verbindliche Auskunft verfassungsgemäß?
Kernproblem Seit
dem Jahr 2006 besteht eine gesetzliche Regelung zur verbindlichen
Auskunft. Danach können die Finanzämter auf Antrag verbindliche
Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten,
noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im
Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes
Interesse besteht. Seit dem Jahr 2007 sind diese Auskünfte
gebührenpflichtig, wobei sich die Gebühr nach dem Wert berechnet,
den die Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert).
Sachverhalt Ein
Steuerpflichtiger hatte gegen die Festsetzung einer Gebühr für die
Erteilung einer verbindlichen Auskunft geklagt, weil er die Gebühr
für verfassungswidrig hielt. Insbesondere die Komplexität des
deutschen Steuerrechts mache es in vielen Fällen erforderlich, die
Besteuerungsfolgen bestimmter Sachverhalte vorab verbindlich durch
die Finanzbehörden prüfen und beurteilen zu lassen. Daher verstoße
eine hierfür erhobene Gebühr gegen das Grundgesetz.
Entscheidung Das
Finanzgericht hatte in erster Instanz die Gebühr für
verfassungskonform erklärt, die Revision vor dem Bundesfinanzhof
jedoch zugelassen. Das Revisionsverfahren wurde nun aus
verfahrensrechtlichen Gründen ohne Entscheidung in der Sache
beendet.
Konsequenz Mit
der Verfahrensbeendigung gibt es nunmehr - soweit erkennbar - kein
aktuelles Musterverfahren gegen die Gebührenpflicht von
verbindlichen Auskünften, an das sich andere Steuerpflichtige
"anhängen" könnten. Auch wenn die Gebührenpflicht
teilweise zu erheblichen Kosten bei verbindlichen Auskünften führt,
so sind diese dennoch in vielen Fallkonstellationen praktisch
unvermeidbar. Hierzu trägt vor allem die Komplexität des
Steuerrechts und die teilweise fehlende verbindliche Interpretation
durch die Finanzverwaltung (z. B. bei Umwandlungen) erheblich bei.
Dennoch besteht Hoffnung für die Steuerpflichtigen: Die neue
Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag angekündigt, die
Gebührenpflicht auf wesentliche und aufwändige Fälle zu
beschränken.
Für
Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit
freundlichen Grüßen
Stephan
Gißewski
Steuerberater
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